OUTOFTHECAR

transmediale Komposition für mechanisches MIDI-Klavier, SchlagzeugQuartett, Soundtrack und Video auf 3 Flächen (2004/05)

 

7 Exzerpte / Audio = MIDI/Layout-Version !

 

Seit Menschen Bilder von Menschen machen, existieren Bilder menschlicher Gewalt. Diese besitzen wechselnde Funktionen: Einschüchterung, Machtdemonstration, Propaganda - seit langem auch Entertainment. In OutOfTheCar ist die Auseinandersetzung mit Gewaltbildern- und -mythen kompositionsthematisch. Dabei verwende ich allerdings weder historisches noch dokumentarisches Material; ausschließlich Bilder inszenierter, d.h. fiktionaler Gewalt werden benutzt. Die Faszination, die von solchen Bildern ausgeht, ist begründet durch:

 

1. ihre Bildgewalt (sic) - der Schönheit einer gelbgleißenden Cinemascope-Explosion entzieht sich kaum einer - und

2. ihrer mythischen Wahrheit - alle dargestellten Gewaltverläufe münden, früher oder später, in archetypische menschliche Verhaltensmuster.

 

Als Beispiele ästhetisierter Gewaltbilder im Fiction-Film verwende ich Sequenzen aus Terminator II (James Cameron, USA 1991) und - als Gegensatz - eine Szene aus Goodfellas von Martin Scorsese (USA 1990).

 

Beide Filme haben sich mir, als ich sie das erste Mal sah, sehr eingeprägt. Aus unterschiedlichen Gründen: Scorseses Film ist beängstigend realitätsnah, zumindest für einen mafiafernen Menschen wie mich, und in seiner Realitätsnähe beängstigend brutal. Beides - Brutalität und Realismus - rücken so nah an die Zuschauerpsyche heran, dass sie ihren Zwecknachhaltigezu beeindrucken, - beeindruckend erfüllen. Scorseses Meisterwerk ist ein perfekt komponiertes Kunstwerk über die Bösartigkeit menschlichen Tuns. Vor allem über Gier: nach Macht, Einfluß, Reichtum, DOMINANZ. Dabei wird sprichwörtlich über Leichen gegangen. - Das tun auch die Protagonisten in James Camerons Film Terminator II. Allerdings unter gänzlich anderer Prämisse: Cameron inszeniert von Anfang an ein Mythenwerk, das sich als Science-Fiction-Film darstellt. Alle Gewalt mit der der Zuschauer konfrontiert wird, ist fiktional, d.h. als ästhetisches Ereignis konsumierbar. Was Cameron uns bildgewaltig vor Augen führt ist ein Spektakel, dem die (damals) modernste Computertechnologie zu Hilfe kommt. Als ich den quecksilbrigen T-1000 im Kino erstmals sah, war ich ziemlich erschreckt. Nicht nur weil die Herstellung des Dings mir rätselhaft erschien - computergestütztes Motiondesign war damals eine Sache von wenigen Spezialisten -, sondern weil vor allem der superpolymorphe SuperKiller partout nicht zu erlegen war. Er wollte partout nicht sterben, trotz zahlloser Anschläge auf ihn; ein jeder von diesen hätte seine menschlichen Pendants zu Nichts zerfetzt - ganz sicher. Für die liquide Tötungsmaschine hingegen waren zahllose Anläufe nötig - selbst Säurebäder wurden selbstrekonfigurierend überstanden -, bis endlich die menschliche Heldin des Films (Linda Hamilton) den Terminator in einem riesigen Topf voll glühenden Metalls final exterminierte. Und selbst da war ich mir - als ich das Kino verließ - nicht sicher ob jetzt wirklich Schluss ist …

 

OUTOFTHECAR ist nicht nur eine Beschäftigung mit dem, was Menschen besonders gut können, nämlich sich gegenseitig aus der Welt zu schaffen, sondern gleichzeitig auch ein wütend-gewalttätiges Stück mit dem ich lustvoll eintauchte in eine Welt, in der Spielregeln variabel und stets neu kalibrierbar sind - vorausgesetzt man verfügt über kein oder wenig von dem, was anderswo Ethos genannt wird.

 

P.S.: das Camerons Film mehr ist als ein bloßes Action-Spektakel, habe ich einige Zeit später verstanden: natürlich ist Terminator II ein Spiegelbild amerikanischer Selbstbefindlichkeit zu Beginn der 1990er Jahre. Natürlich finden sich in ihm die in der amerikanischen Kultur oft apokryph erscheinenden christlichen Symbole. Natürlich ist Sarah Connor (Linda Hamilton) eine „Maria“-Travestie, natürlich ist ihr Sohn John Connor (Edward Furlong) eine pubertierende Christusvariante und Arnold Schwarzenegger ist - natürlich - als veralteter T-800-Roboter eine prima blechern-scheppernde Josephsparodie. Die ganze Heilsgeschichte wird selbstverständlich mit erzählt, incl. der etwas merkwürdigen, den Ödipus-Mythos mächtig strapazierenden Tatsache, dass Sohn und Vater (s. Terminator I, auch James Cameron, USA 1984) ein zeitparadoxes Verhältnis zu einander haben: Ist der Sohn sein eigener Erzeuger? In der amerikanischen religiogenen „Suppenküche“ jedenfalls ist nichts unmöglich …